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Anwender mitnehmen, ohne sie zu überfordern
Digitalisierung der Rechnungseingangsbearbeitung
Björn Hofmann, Abteilungsleiter der Mitglieder- und Rentenabteilung des Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen
Veröffentlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | MÄRZ 2017
Mit der Digitalisierung der Rechnungseingangsbearbeitung wurde eine digitale Transformation unter Einbeziehung technischer, organisatorischer, gesetzlicher und sozialer Gesichtspunkte vollzogen. Nachdem die Mitglieder- und Rentenbetreuung seit etwa 10 Jahren mit Corsa als ECM arbeitet, konnte mit diesem Projekt die digitale Transformation im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen weitestgehend vollendet werden..
Hierdurch wurden sowohl die papiergebundene Aktenführung in der Buchhaltung abgelöst als auch Verwaltungsabläufe wie beispielsweise Prüfungen und Genehmigungen von Rechnungen in Workflows abgebildet. Letztlich führte dieses Projekt zu transparenten und jederzeit
nachvollziehbaren Verfahrensabläufen, deren Revisionssicherheit durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingehend untersucht und bestätigt
wurde.
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Führung wird immer wichtiger
Zweifellos, die meisten Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren stark verändern. Neben ihren Strukturen und den Arbeitsbeziehungen in ihnen werden sich oft auch ihre Geschäftsmodelle wandeln. Doch eines wird sich nicht verändern: der Mensch Mitarbeiter. Er wird sich weiterhin Halt und Orientierung wünschen – gerade wenn im Unternehmen selbst und in dessen Umfeld scheinbar alles im Fluss ist.
Doch wer soll ihm dieses Gefühl vermitteln, wenn im Unternehmen sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht? Letztlich können dies nur die Führungskräfte sein. Deshalb ist die These nicht gewagt: Führung wird künftig in den Unternehmen immer wichtiger werden – gerade weil es im Unternehmenskontext sonst nichts mehr gibt, worauf man als Mitarbeiter bauen und vertrauen kann.
Führung muss sich ändern
Soweit, so beruhigend. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich Führung nicht verändert. Im Gegenteil! Die Art zu führen, muss sich im digitalen Zeitalter radikal wandeln. Denn folgende Entwicklungslinien sind in den Unternehmen unverkennbar.
- Die für den Unternehmenserfolg relevanten Leistungen werden zunehmend von bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht.
- Die für die Kunden erbrachten Lösungen setzen immer mehr Spezialwissen voraus, das die Führungskräfte oft selbst nicht haben.
- Die von den Unternehmen erarbeiteten Strategien, Planungen usw. haben eine immer kürzere Gültigkeitsdauer. Und:
- Die Führungskräfte und ihre Bereiche stehen immer häufiger vor Herausforderungen, für die sie noch keine Lösung haben.
Wie ist in einem solchen Umfeld erfolgreiche Führung möglich – wenn die Führungskräfte einen immer geringeren (disziplinarischen) Zugriff auf ihre Mitarbeiter haben und – salopp formuliert – auch nicht schlauer als diese sind?
Führungskräfte müssen „Marken“ werden
Nach dem klassischen Befehl- und Gehorsam-Prinzip ist dies nicht möglich; ebenso wenig dadurch, dass die Führungskräfte versuchen, sich als Alles-besser-Wisser zu profilieren. Der einzig mögliche Lösungsweg ist: Die Führungskräfte müssen sich zu echten Leadern entwickeln, also Persönlichkeitsmarken, denen die Mitarbeiter vertrauen.
Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren. Erstens: Sie ist aufgrund ihres Auftritts beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar. Und zweitens: Sie gibt den Kunden ein klares Leistungsversprechen – so wie dies zum Beispiel die Unternehmen Audi und BMW mit ihren Slogans „Vorsprung durch Technik“ beziehungsweise „Freude am Fahren“ tun.
Erkennbar für gewisse Werte stehen
Ähnlich verhält es sich mit Fühungskräften, die eine „Persönlichkeitsmarke“ sind. Auch sie stehen für ihr Umfeld erkennbar für konkrete Werte und Überzeugungen, die sich in ihrem Verhalten zeigen. Also lautet eine Anforderung an Führungskräfte, die eine Persönlichkeitsmarke werden möchten: Sie müssen sich ihrer Werte und Überzeugungen sowie Stärken bewusst werden – also darüber, was sie als Person einzigartig und unverwechselbar macht. Dazu zählt auch das Kennen der eigenen Schwächen. Denn erst aus dem Bewusstsein unserer Stärken und Schwächen erwächst das erforderliche Selbstverständnis für unsere mögliche Wirkung. Und dieses hilft uns wiederum, nicht nur an „Schönwetter-Tagen“, sondern auch, wenn es (im Unternehmen oder Markt) „stürmt und schneit“ eine souveräne Haltung einzunehmen und zu zeigen. Und dies ist wiederum ein Signal für unsere Umwelt: Dieser Marke beziehungsweise Person kannst du vertrauen.
Sich präsentieren und vermarkten
„Werden Sie als Führungskraft eine Marke und präsentieren und vermarkten Sie sich entsprechend“ – diese Aufforderung stößt bei vielen Führungskräften auf Vorbehalte. Denn mit dem Begriff „Vermarktung“ assoziieren sie Attribute wie „schrill“ und „laut“. Doch nur wenige Marken sind so schrill und laut wie Afri Cola. Weit mehr setzen auf ein unaufgeregtes Under-Statement.
Ähnlich verhält es bei der Selbst- Vermarktung von Führungskräften. Auch hier geht es nicht darum, stets am lautesten zu schreien, sondern immer wieder nach außen zu zeigen und zu artikulieren,
- wofür man steht und
- was einem als Person wichtig ist.
Denn so entstehen Glaubwürdigkeit und somit Vertrauen. Und diese Faktoren werden für den Führungserfolg in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt immer wichtiger.
Durch diese Arbeitsweise konnte die durchaus vorhandene Skepsis, u.a. aufgrund der Bindung der Buchhaltung an das Papier und dem Verlassen eines sicheren und gewohnten Arbeitswegs, überwunden werden. Auch die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben aufgrund der erforderlichen Revisionssicherheit und der Einsatz unterschiedlicher Fachanwendungen und Lösungen, die miteinander vernetzt werden mussten, stellten Herausforderungen dar, die gemeistert wurden.
Alle Inhalte sind für jeden leicht zugänglich: Probleme mit fehlenden Unterlagen oder der Mehrfacherfassung von Daten, mit veralteten Informationen, unklaren Dokumentenversionen oder der richtigen Ablage sind damit Vergangenheit – ebenso wie überfüllte Schränke mit Aktenordnern.
Mit der gemeinsame Definition von bestehenden Verwaltungsabläufen, deren Optimierung und der Abgabe von Entscheidungskompetenzen im Rahmen der Projektumsetzung an die späteren Nutzer entstand das Gefühl und die Gewissheit bei diesen, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum Lösungsprozess beigesteuert haben. So wurden folgende Ziele definiert und auch erfüllt:
- Arbeitsentlastung
- Mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit
- Verbesserte Suchmöglichkeiten
- Pflege von Kontaktdaten nur an einer Stelle
- Ergonomisches Scannen
- Mit einem Mausklick von der Buchung zum Beleg
- Standardisierte Verfahrensabläufe in Workflows
- Reduzierung des Papierverbrauchs
- Drastische Verkleinerung des physischen Archivs
- Automatisierter Transfer in ein Langzeitarchiv
und die Lösung genutzt werden. Besonders hilfreich war die Unterstützung und Kommunikation während des gesamten Prozesses durch und mit StratOz als Dienstleister, der wesentliche Elemente des Systems erstellt und die unterschiedlichen Systeme an ihren Schnittstellen zusammengeführt hat. Auch hierdurch konnten Schulungen und Einführungen für die Mitarbeiter individuell nach den persönlichen Anforderungen angeboten werden.
Abschließend bleibt festzustellen, dass die Digitalisierung der Rechnungseingangsbearbeitung neben dem erwähnten Nutzen wesentlich zur positiven Weiterentwicklung der Kommunikation
mit den unterschiedlichen Partnern des Versorgungswerks und auch innerhalb des Versorgungswerks beigetragen hat.
Durch dieses Projekt ist aus dem anfänglichen digitalen Arbeiten ein digitales Denken im Versorgungswerk entstanden. Es ist gelungen, die Anwender mitzunehmen, ohne sie zu überfordern.
Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen ist als berufsständisches Versorgungswerk eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es hat die Aufgabe, seinen mehr als 20.000 Mitgliedern und sonstigen Leistungsberechtigten eine Absicherung für das Alter, gegen Berufsunfähigkeit und im Todesfall zu bieten.
www.vw-ra-hessen.de
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