Ohne kulturellen Wandel keine digitale Transformation

Digitale Transformation live und in Farbe


Frank Schabel, Head of Marketing/Corporate Communications bei der Hays AG
Veröffentlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | MÄRZ 2017
 
Ihre Produkte und Services zu digitalisieren, ist für Unternehmen der zentrale Schlüssel für ihre Zukunftsfähigkeit. Daher rüsten viele Marktteilnehmer ihre technologischen Landschaften digital auf. Doch der Nährboden für Innovationen ist nicht die Technik. Vielmehr bildet Unternehmenskultur die Grundlage für eine gelingende Transformation. Denn bei Umbau ihrer Arbeitsstrukturen und -prozesse in Richtung Digitalisierung benötigen Organisation vor allem kulturelle Ressourcen. Die Crux dabei ist nur, dass die Schere zwischen dem digitalen Tempo und der gemächlichen
Geschwindigkeit der kulturellen Veränderungen groß ist.

Beim kulturellen Wandel zeigt sich: In vielen Unternehmen herrscht noch das altbekannte Silodenken vor – und das, obwohl die digitalen Themen nur funktionieren, wenn alle Bereiche an einem Strang ziehen. Doch dafür ist die Linienorganisation mit ihren recht starren Abläufen nicht vorbereitet. Umso mehr verharren Mitarbeiter in ihren Silos, die jedoch den digitalen Anforderungen nicht mehr hinterherkommen. Ganz zu schweigen davon, dass feste Strukturen die übergreifenden Digitalthemen nicht abbilden. Mehr denn je gefragt sind geschmeidige Organisationsformen. Wie Projekte, in denen Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensbereichen ihre Kompetenzen einbringen und Synergien erzeugen. Wenn vernetzte Plattformen ein wichtiges technisches Element der Digitalisierung sind, gilt es in Organisationen, sich kulturell und kommunikativ über Unternehmensgrenzen
hinweg zu vernetzen.
 
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Führung wird immer wichtiger
Zweifellos, die meisten Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren stark verändern. Neben ihren Strukturen und den Arbeitsbeziehungen in ihnen werden sich oft auch ihre Geschäftsmodelle wandeln. Doch eines wird sich nicht verändern: der Mensch Mitarbeiter. Er wird sich weiterhin Halt und Orientierung wünschen – gerade wenn im Unternehmen selbst und in dessen Umfeld scheinbar alles im Fluss ist.

Doch wer soll ihm dieses Gefühl vermitteln, wenn im Unternehmen sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht? Letztlich können dies nur die Führungskräfte sein. Deshalb ist die These nicht gewagt: Führung wird künftig in den Unternehmen immer wichtiger werden – gerade weil es im Unternehmenskontext sonst nichts mehr gibt, worauf man als Mitarbeiter bauen und vertrauen kann.

Führung muss sich ändern
Soweit, so beruhigend. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich Führung nicht verändert. Im Gegenteil! Die Art zu führen, muss sich im digitalen Zeitalter radikal wandeln. Denn folgende Entwicklungslinien sind in den Unternehmen unverkennbar.

  • Die für den Unternehmenserfolg relevanten Leistungen werden zunehmend von bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht.
  • Die für die Kunden erbrachten Lösungen setzen immer mehr Spezialwissen voraus, das die Führungskräfte oft selbst nicht haben.
  • Die von den Unternehmen erarbeiteten Strategien, Planungen usw. haben eine immer kürzere Gültigkeitsdauer. Und:
  • Die Führungskräfte und ihre Bereiche stehen immer häufiger vor Herausforderungen, für die sie noch keine Lösung haben.

Wie ist in einem solchen Umfeld erfolgreiche Führung möglich – wenn die Führungskräfte einen immer geringeren (disziplinarischen) Zugriff auf ihre Mitarbeiter haben und – salopp formuliert – auch nicht schlauer als diese sind?

Führungskräfte müssen „Marken“ werden
Nach dem klassischen Befehl- und Gehorsam-Prinzip ist dies nicht möglich; ebenso wenig dadurch, dass die Führungskräfte versuchen, sich als Alles-besser-Wisser zu profilieren. Der einzig mögliche Lösungsweg ist: Die Führungskräfte müssen sich zu echten Leadern entwickeln, also Persönlichkeitsmarken, denen die Mitarbeiter vertrauen.

Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren. Erstens: Sie ist aufgrund ihres Auftritts beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar. Und zweitens: Sie gibt den Kunden ein klares Leistungsversprechen – so wie dies zum Beispiel die Unternehmen Audi und BMW mit ihren Slogans „Vorsprung durch Technik“ beziehungsweise „Freude am Fahren“ tun.

Erkennbar für gewisse Werte stehen
Ähnlich verhält es sich mit Fühungskräften, die eine „Persönlichkeitsmarke“ sind. Auch sie stehen für ihr Umfeld erkennbar für konkrete Werte und Überzeugungen, die sich in ihrem Verhalten zeigen. Also lautet eine Anforderung an Führungskräfte, die eine Persönlichkeitsmarke werden möchten: Sie müssen sich ihrer Werte und Überzeugungen sowie Stärken bewusst werden – also darüber, was sie als Person einzigartig und unverwechselbar macht. Dazu zählt auch das Kennen der eigenen Schwächen. Denn erst aus dem Bewusstsein unserer Stärken und Schwächen erwächst das erforderliche Selbstverständnis für unsere mögliche Wirkung. Und dieses hilft uns wiederum, nicht nur an „Schönwetter-Tagen“, sondern auch, wenn es (im Unternehmen oder Markt) „stürmt und schneit“ eine souveräne Haltung einzunehmen und zu zeigen. Und dies ist wiederum ein Signal für unsere Umwelt: Dieser Marke beziehungsweise Person kannst du vertrauen.

Sich präsentieren und vermarkten
„Werden Sie als Führungskraft eine Marke und präsentieren und vermarkten Sie sich entsprechend“ – diese Aufforderung stößt bei vielen Führungskräften auf Vorbehalte. Denn mit dem Begriff „Vermarktung“ assoziieren sie Attribute wie „schrill“ und „laut“. Doch nur wenige Marken sind so schrill und laut wie Afri Cola. Weit mehr setzen auf ein unaufgeregtes Under-Statement.
Ähnlich verhält es bei der Selbst- Vermarktung von Führungskräften. Auch hier geht es nicht darum, stets am lautesten zu schreien, sondern immer wieder nach außen zu zeigen und zu artikulieren,

  • wofür man steht und
  • was einem als Person wichtig ist.

Denn so entstehen Glaubwürdigkeit und somit Vertrauen. Und diese Faktoren werden für den Führungserfolg in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt immer wichtiger.

In flexiblen Organisationsstrukturen verändert sich zudem die Rolle der Führung. Mitarbeiter sind in der digitalen Welt viel stärker selbstorganisiert und vernetzen sich über Hierarchien hinweg. Kompetenz und Wissen sind die Güter, die zählen, nicht die formale Position. Die Rolle von Führungskräften verändert sich daher mehr in Richtung Moderation und Personalentwicklung. In dieser neuen Rolle vermitteln sie zwischen den jeweiligen Interessen und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter. Darüber hinaus gilt es, Mitarbeiter zu entwickeln, zu coachen und auf ihrem Weg zu begleiten. Wer einmal in
einem agilen Projekt gearbeitet und die Eigenständigkeit des Teams gelebt hat, lässt sich in jedem Fall nicht mehr an die kurze Leine legen.

Gestützt wird meine Einschätzung durch die Ergebnisse unseres jährlichen HR-Reports, den wir mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) veröffentlichen. In dem aktuellen
Bericht haben die befragten Führungskräfte die Kommunikation als wichtigstes Element der Unternehmenskultur ausgemacht. Ein Blick auf die Aspekte, die auf die Kommunikation am meisten
einzahlen, zeigt das Dilemma: 81 Prozent halten den offenen Umgang mit kritischen Themen für das wichtigste Kommunikationsthema. Aber nur 23 Prozent geben an, dass dieser auch umgesetzt
sei. Soll und Ist klaffen gewaltig auseinander.
 

Der Nährboden für Innovationen ist nicht die Technik. Vielmehr bildet Unternehmenskultur die Grundlage für eine gelungende Transformation.


Auch in Sachen Führung ist das Bild in vielen Unternehmen uneinheitlich. So meinen 59 Prozent der Topmanager, ihr Unternehmen sei in der Führung sehr gut oder gut aufgestellt. Doch fast 70 Prozent der Führungskräfte aus den Fachabteilungen sahen dies anders. Solange solche Diskrepanzen in der Wahrnehmung vorherrschen, werden sich Mitarbeiter nur bedingt auf Neues einlassen. Denn Mitarbeiter brauchen einen verlässlichen sozialen und kulturellen Rückhalt, aber keine allzu große Kluft zwischen Realität und Wunsch bzw. Leitbild.

Natürlich lässt sich eine über Jahre gewachsene Unternehmenskultur nicht von heute auf morgen ändern, trotz der digitalen Beschleunigung. Das bestätigen unsere empirischen Ergebnisse:
Gerade einmal 17 Prozent der Befragten glauben, dass ihre Organisation über das notwendige Tempo für die Umsetzung von Veränderungen verfügt. Daher lautet unsere Schlussfolgerung, dass viele
Unternehmen kulturell noch kaum auf die digitale Transformation eingestellt sind. Es fehlt an der Einsicht aber auch an der erforderlichen Geschwindigkeit, Veränderungen zügig zu realisieren.
Trotzdem gelingt die digitale Innovation nur, wenn sich Unternehmen parallel auch sozial und kulturell erneuern. Wie hat es Peter Drucker so treffend ausgedrückt: „Kultur isst die Strategie zum
Frühstück.“ Das gilt natürlich auch für die digitale Strategie.
 

Hays plc. ist ein weltweit führender Personaldienstleister für die Rekrutierung von hoch qualifizierten Spezialisten. Hays ist im privaten wie im öffentlichen Sektor tätig und vermittelt Spezialisten für Festanstellungen, Projektarbeit und in Arbeitnehmerüberlassung. Das Unternehmen beschäftigt weltweit über 9.200 Mitarbeiter in 33 Ländern und erzielte im Geschäftsjahr 2015/2016 Erlöse von 5,07 Mrd. Euro. In Deutschland vermittelt Hays Spezialisten aus den Bereichen IT, Engineering, Construction & Property, Life Sciences, Finance, Sales & Marketing, Legal, Retail sowie Healthcare. www.hays.de
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