
Social Media, schön und gut –
doch wo bleibt der Mensch?
Freundschaftsanfragen, Kontaktanfragen, Linkempfehlungen, Statusmeldungen, Gruppeneinladungen, Bild-Uploads, Videos usw. usf. – worauf reagieren SIE? Und von wem muss es kommen, damit SIE reagieren? Der XING-Experte und Vernetzungsprofi Joachim Rumohr beleuchte in diesem Artikel einen aus seiner Sicht grundsätzlichen Fehler bei der Nutzung von Social Media.
Joachim Rumohr, XING-Experte Nr. 1
Veröffentlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR ENTERPRISE INFORMATION MANAGEMENT | MÄRZ 2017
Es wird munter drauflosgeklickt. Da wird schon einer zurückklicken und da werden auch schon ein paar auf Einladungen reagieren. Und von denen wird sicher auch irgendwann mal einer was kaufen. Doch, sicher! Social Media funktioniert!

Führung wird immer wichtiger
Zweifellos, die meisten Unternehmen werden sich in den kommenden Jahren stark verändern. Neben ihren Strukturen und den Arbeitsbeziehungen in ihnen werden sich oft auch ihre Geschäftsmodelle wandeln. Doch eines wird sich nicht verändern: der Mensch Mitarbeiter. Er wird sich weiterhin Halt und Orientierung wünschen – gerade wenn im Unternehmen selbst und in dessen Umfeld scheinbar alles im Fluss ist.
Doch wer soll ihm dieses Gefühl vermitteln, wenn im Unternehmen sozusagen alles permanent auf dem Prüfstand steht? Letztlich können dies nur die Führungskräfte sein. Deshalb ist die These nicht gewagt: Führung wird künftig in den Unternehmen immer wichtiger werden – gerade weil es im Unternehmenskontext sonst nichts mehr gibt, worauf man als Mitarbeiter bauen und vertrauen kann.
Führung muss sich ändern
Soweit, so beruhigend. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich Führung nicht verändert. Im Gegenteil! Die Art zu führen, muss sich im digitalen Zeitalter radikal wandeln. Denn folgende Entwicklungslinien sind in den Unternehmen unverkennbar.
- Die für den Unternehmenserfolg relevanten Leistungen werden zunehmend von bereichs- und oft sogar unternehmensübergreifenden Teams erbracht.
- Die für die Kunden erbrachten Lösungen setzen immer mehr Spezialwissen voraus, das die Führungskräfte oft selbst nicht haben.
- Die von den Unternehmen erarbeiteten Strategien, Planungen usw. haben eine immer kürzere Gültigkeitsdauer. Und:
- Die Führungskräfte und ihre Bereiche stehen immer häufiger vor Herausforderungen, für die sie noch keine Lösung haben.
Wie ist in einem solchen Umfeld erfolgreiche Führung möglich – wenn die Führungskräfte einen immer geringeren (disziplinarischen) Zugriff auf ihre Mitarbeiter haben und – salopp formuliert – auch nicht schlauer als diese sind?
Führungskräfte müssen „Marken“ werden
Nach dem klassischen Befehl- und Gehorsam-Prinzip ist dies nicht möglich; ebenso wenig dadurch, dass die Führungskräfte versuchen, sich als Alles-besser-Wisser zu profilieren. Der einzig mögliche Lösungsweg ist: Die Führungskräfte müssen sich zu echten Leadern entwickeln, also Persönlichkeitsmarken, denen die Mitarbeiter vertrauen.
Eine Marke kennzeichnen zwei Faktoren. Erstens: Sie ist aufgrund ihres Auftritts beziehungsweise Erscheinungsbilds wiedererkennbar. Und zweitens: Sie gibt den Kunden ein klares Leistungsversprechen – so wie dies zum Beispiel die Unternehmen Audi und BMW mit ihren Slogans „Vorsprung durch Technik“ beziehungsweise „Freude am Fahren“ tun.
Erkennbar für gewisse Werte stehen
Ähnlich verhält es sich mit Fühungskräften, die eine „Persönlichkeitsmarke“ sind. Auch sie stehen für ihr Umfeld erkennbar für konkrete Werte und Überzeugungen, die sich in ihrem Verhalten zeigen. Also lautet eine Anforderung an Führungskräfte, die eine Persönlichkeitsmarke werden möchten: Sie müssen sich ihrer Werte und Überzeugungen sowie Stärken bewusst werden – also darüber, was sie als Person einzigartig und unverwechselbar macht. Dazu zählt auch das Kennen der eigenen Schwächen. Denn erst aus dem Bewusstsein unserer Stärken und Schwächen erwächst das erforderliche Selbstverständnis für unsere mögliche Wirkung. Und dieses hilft uns wiederum, nicht nur an „Schönwetter-Tagen“, sondern auch, wenn es (im Unternehmen oder Markt) „stürmt und schneit“ eine souveräne Haltung einzunehmen und zu zeigen. Und dies ist wiederum ein Signal für unsere Umwelt: Dieser Marke beziehungsweise Person kannst du vertrauen.
Sich präsentieren und vermarkten
„Werden Sie als Führungskraft eine Marke und präsentieren und vermarkten Sie sich entsprechend“ – diese Aufforderung stößt bei vielen Führungskräften auf Vorbehalte. Denn mit dem Begriff „Vermarktung“ assoziieren sie Attribute wie „schrill“ und „laut“. Doch nur wenige Marken sind so schrill und laut wie Afri Cola. Weit mehr setzen auf ein unaufgeregtes Under-Statement.
Ähnlich verhält es bei der Selbst- Vermarktung von Führungskräften. Auch hier geht es nicht darum, stets am lautesten zu schreien, sondern immer wieder nach außen zu zeigen und zu artikulieren,
- wofür man steht und
- was einem als Person wichtig ist.
Denn so entstehen Glaubwürdigkeit und somit Vertrauen. Und diese Faktoren werden für den Führungserfolg in der von Veränderung geprägten VUCA-Welt immer wichtiger.
Das Gesetz der großen Zahl? Immer mal wieder höre ich solche Aussagen und auf Produkte mag das ja zutreffen. Aber es wird als allgemeingültig für alles eingestuft und gefühlt jeder ist auf der Jagd nach möglichst vielen Kontakten. Wenn man dann viele Kontakte hat, reichen nach Aussage der Experten sieben zielgerichtete Kontaktaufnahmen in ormF von Newslettern, Statusmeldungen
oder Fachartikeln und der Kunde kauft. Das nennt man dann Sales-Funnel oder Verkaufstrichter. Oben viel reinwerfen und unten purzeln dann die neuen Kunden raus.
Erst wenn Sie sich gegenseitig berühren, können nachhaltige Geschäfte und Beziehungen entstehen.
Wo bleibt bei alle dem der Mensch?
Kaum einer beschäftigt sich VOR der Kontaktaufnahme mit der anderen Person. Und trotzdem wird erwartet, dass sich die so „Ankontaktierten“ im Gegenzug mit dem Angebot oder dem eigenen Produkt beschäftigen. Der hinter einem Profil auf Facebook, XING oder LinkedIn stehende Mensch scheint zweitrangig zu sein. Er wird nur als sogenannter neuer Lead gezählt.
Erst geben, dann bekommen!
Doch was passiert, wenn Sie eine Anfrage erhalten und feststellen, dass sich der andere mit Ihnen auseinandergesetzt hat? Wenn eine Anfrage mit einer wertschätzenden Nachricht verbunden
ist oder Sie gar bei der ersten Kontaktaufnahme zunächst einen Tipp oder eine Empfehlung bekommen, die nichts mit dem Angebot/Produkt des Anfragenden zu tun hat, sondern mit Ihnen? Mit Ihrer
Person beziehungsweise den Inhalten Ihres Profils oder Ihrer Timeline: ein passender Kommentar, eine Anerkennung oder ein für Sie nutzbringender Hinweis?
Der hinter einem Profil auf Facebook, XING oder LinkedIn stehende Mensch scheint zweitrangig zu sein. Er wird nur als sogenannter neuer Lead gezählt.
Um wie viel offener sind Sie dann gegenüber der Anfrage? Wie sehr steigert das Ihre Bereitschaft, sich mit der Anfrage und der Person hinter der Anfrage zu beschäftigen? Sich eventuell die Produkt-Website oder Fan-Page auf Facebook doch etwas genauer anzusehen und diese aus eigener Entscheidung heraus mit einem „Gefällt mir“ zu markieren?
Persönliches zählt – Geschäftliches ergibt sich!
Dieser „Slogan“ begleitet die Events der offiziellen XING-Gruppen schon lange. Doch für mich ist es viel mehr als nur ein Slogan. Für mich liegt in dieser Aussage der Schlüssel zum Erfolg!
Erst wenn Sie sich gegenseitig berühren, können nachhaltige Geschäfte und Beziehungen entstehen. Und das meine ich sowohl mental als auch physisch. Ein Angebot muss Ihnen gefallen und Sie müssen davon überzeugt sein, dann empfehlen Sie es weiter. Doch wie steht es mit einem Menschen? Wann empfehlen Sie eine einzelne Person?
Am ehesten aus meiner Sicht, nachdem Sie diese persönlich getroffen und berührt haben. Sich also einmal die Hand gegeben, den anderen wortwörtlich gespürt und mit allen Ebenen der Kommunikation aufgenommen haben.
Nur auf schriftlichem Wege ist eine solche „Berührung“ nicht möglich. Richtige, echte menschliche Zusammenarbeit entsteht erst nach einem persönlichen Kontakt.
Nehmen Sie sich Zeit für neue Kontakte. Fügen Sie lieber zwei oder drei Kontakte nachhaltig hinzu als 20 oder 30, denen Sie nur einen schnellen und belanglosen Klick gönnen.
Nehmen Sie sich Zeit für neue Kontakte. Fügen Sie lieber zwei oder drei Kontakte nachhaltig hinzu als 20 oder 30, denen Sie nur einen schnellen und belanglosen Klick gönnen. Geben Sie anderen die Aufmerksamkeit, die Sie sich für sich selbst auch wünschen.
Lassen Sie am Anfang alles weg, was Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung betrifft. Der erste Schritt bei einer Online-Kontaktaufnahme sollte nie Akquisition sein. Es gibt so viele Möglichkeiten bei der
Kontaktaufnahme Nehmen Sie beispielsweise Bezug auf das Profil der Person, zu der Sie Kontakt aufnehmen wollen. Geben Sie Tipps, Empfehlungen oder schenken Sie Anerkennung und Aufmerksamkeit.
Gehen Sie wie auf einem Networking-Event vor: Fragen Sie die andere Person, wofür sie steht, was ihre Überzeugungen sind und wenn es in der Timeline nicht deutlich wird, was die Person beruflich
macht. Lernen Sie sich erst einmal kennen, „berühren“ Sie sich! So entsteht beim Gegenüber auch ein Interesse an Ihnen. Die Frage nach der Markierung Ihrer Fan-Page müssen Sie eventuell
gar nicht mehr stellen, weil Ihr neuer Kontakt diese ganz von allein und aus Interesse an Ihnen bereits selbst mit „Gefällt mir“ markiert hat. Und los! Sie sind an der Reihe!
Nehmen Sie sich für die nächsten zehn neuen Kontakte gezielt eine persönlichere Kontaktaufnahme vor und schauen was passiert. Reagieren Sie bei Kontaktanfragen ebenso mit Interesse an der
anfragenden Person. Ich bin davon überzeugt, dass Sie es bald nur noch so machen. Sie werden feststellen, dass plötzlich „echte“ Kontakte entstehen und diese Vorgehensweise wesentlich nachhaltiger und erfolgreicher ist.
Joachim Rumohr ist gebürtiger Hamburger und seit rund 20 Jahren Netzwerker aus Leidenschaft. Seit rund 10 Jahren gibt er sein Wissen rund um Vernetzung und die Geschäftsanbahnung über XING professionell weiter und hat bisher über 500 Seminare und rund 300 Vorträge gehalten. Mit dieser langjährigen Vortrags- Erfahrung, dem umfangreichem Know-how und seiner begeisternden Art steht Joachim Rumohr als anerkannter XING-Experte Nr. 1 und Vernetzungs-Experte für mitreißende Vorträge und nachhaltigen Wissenstransfer.
www.rumohr.de