Von der Notlösung zum Optimum für Unternehmen

Detlev Artelt, Geschäftsführer der aixvox GmbH
Veröffentlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR DEN DIGITALEN WANDEL | 2021

Das letzte Jahr hat vieles geändert. Besonders die Arbeitswelt musste Umdenken. Die Digitalisierung erlebte gewollt oder ungewollt einen enormen Schub und Konzepte wie das Homeoffice oder mobile working rückten in den Fokus der Unternehmen.
„Stay at home“ galt schon direkt zu Beginn des ersten Lockdowns und trieb tausende von Wissensarbeitern oft ohne Konzept in die heimischen vier Wände zum Arbeiten. Wer nicht schon vorher das Privileg eines remote Arbeitsplatzes hatte, endete oft am Küchentisch oder in der Abstellkammer. Laptops wurden in Hauruckaktionen organisiert und bereit gemacht, Software für die Zusammenarbeit ohne großes Onboarding zur Verfügung gestellt und Unternehmensprozesse „mal eben“ angepasst.
Und jetzt? Mehr als ein Jahr später?
Aktuell arbeiten laut Statista 24% der Befragten im Homeoffice, im ersten Lockdown waren es sogar 27%. Das zeigt, dass die Aufforderungen der Regierung erfolgreich waren und es zeigt zudem, dass die Möglichkeit remote zu arbeiten von Arbeitnehmer:innen wie auch Unternehmen angenommen wird.



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Was die Statistik leider nicht zeigt, ist das „wie“. Denn Homeoffice bedeutet leider nicht immer die Arbeit an einem gut ausgestatteten Arbeitsplatz in einem abgetrennten Raum mit der passenden Technik und der Unterstützung von Teammitgliedern und Unternehmensführung. Sondern in vielen Fällen einfach, Laptop am Küchentisch, Dauervideokonferenz und Tausende von Fragen.
Hier sind wir an einem Punkt angekommen, an dem es nun heißt aus Provisorien und Notlösungen, tragfähige Konzepte und Prozesse zu entwickeln, und zwar in ganz unterschiedlichen Bereichen, beispielsweise:

Führen von verteilten Teams – digital Leadership
Das Führen von verteilten Teams, die oftmals nicht nur in unterschiedlichen Gebäuden oder Städten, sondern in verschiedenen Zeitzonen sind, ist organisatorisch eine große Herausforderung – nicht nur währen einer Pandemie. Sobald Teammitglieder an unterschiedlichen Standorten arbeiten, erhöht sich die Gefahr, dass Arbeitsqualität, Motivation oder auch Zeitmanagement leiden.

Die Besonderheiten von verteilten Teams bieten für Führungskräfte spezielle Herausforderungen. Aufgrund der Tätigkeiten an verschiedenen Lokationen sehen sich die Teammitglieder nur selten oder auch gar nicht persönlich. Kann man sich kurz spontan zusammensetzen, wennman in einem Büro oder zumindest in einem Gebäude arbeitet, ist dies bei verteilten Teams meist schwierig zu realisieren. Ein wirkliches Team – also Gemeinschaftsgefühl – ist über große Distanzen hinweg nur schwer zu realisieren. Und auch wenn es Kameras und Videochat gibt, den Tratsch an der Kaffeemaschine kann man damit nur schwer ersetzen.
Sicherlich kann man auch bei verteilt arbeitenden Teams Ergebnisse messen und Erfolge beurteilen, doch Faktoren wie Motivation, Spaß an der Arbeit und eventuell auch den Ehrgeiz, sich weiter zu entwickeln, kann man nur schwer beurteilen.

Zusatzaufgaben für Führungskräfte

Aus diesen Besonderheiten ergeben sich wie bereits beschrieben, Probleme und auch Zusatzaufgaben für Führungskräfte, auf die die meisten allerdings kaum vorbereitet sind. Für jemanden, der es bisher nur gewöhnt ist, mit Teams gemeinsam vor Ort und von Angesicht zu Angesicht zu arbeiten, scheint es zunächst eine unüberwindbare Hürde zu sein, Vertrauen aufzubauen und aus Menschen, die an einem Projekt an verschiedenen Orten arbeiten, auch wirklich ein Team zu machen.


Kommunikation ist also der Schlüssel zum Erfolg.


Gelingen kann das durch verschiedene Maßnahmen. Gleich zu Beginn des Projektes ist es sinnvoll, aktiv alle Teammitglieder kennen zu lernen und durch eine gemeinsame Kick-Off-Veranstaltung das Teambuilding zu beginnen. Beziehen Sie alle Mitglieder in das Projekt ein, seien Sie offen für Vorschläge, delegieren Sie Aufgaben und entwickeln Sie gemeinsam motivierende Visionen.

Ganz wichtig: Geben Sie Ihrem Team einen Vertrauensvorschuss.

Ist Kommunikation für Teams, die an einem Ort arbeiten, schon einer der wichtigsten Punkte, um reibungslose Abläufe zu ermöglichen, ist es bei verteilten noch wichtiger. Die Kommunikation muss auch in Zeiten von Video und Chat aktiv von allen Seiten aufgenommen werden können. Hierzu müssen die Teammitglieder vor allen Dingen in ihrer Medienkompetenz geschult werden. Denn auch der Wille zur Kommunikation über Grenzen hinweg nützt nur etwas, wenn man auch mit den notwendigen Instrumenten umgehen kann.

Kommunikation ist also der Schlüssel zum Erfolg. Ist es im Büro selbstverständlich, sich mit den Kolleg:innen kurz auszutauschen oder schnell eine Rückfrage zu stellen, ist dies im Homeoffice nur bedingt möglich. Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte auf einen regelmäßigen Austausch zwischen den Teammitgliedern achten – und das nicht nur zu fachlichen Themen. Laden Sie zu kurzen Videocalls ein, um nicht nur Ihrem Team, sondern auch sich selbst eine Struktur zu geben. Beispielsweise die „Wasserstandsmeldung an Kaffee“ am Montagmorgen oder auch ein Daily Standup sind Möglichkeiten, die sich auch im Homeoffice problemlos realisieren lassen.


Konzepte, Strategien und Strukturen für die postpandemische Organisation von Arbeit im Homeoffice und in Unternehmen sind also vorhanden. Worauf warten wir also noch?


Effizient und motiviert am remote Arbeitsplatz – energizing people
Selbst bei einem guten Draht zu den Kollegen und geschulten Führungskräften, kann das Homeoffice zur Motivationsfalle werden. Vor der Pandemie war es noch der Schlüssel zu effektivem Arbeiten, zu einer optimalen Work-Life-Balance. Jetzt, einen Corona-Sommer-Winter-Frühling später, sieht das für viele anders aus. Fehlende Sozialkontakte, Stress und Überforderung sind das Ergebnis.

Das liegt sicher auch an der Pandemie, deren Auswirkung viele als länger währende Krise erleben. Das macht die Menschen verängstigt, traurig oder auch wütend, was sie als Stress erleben.

Einen Gang runter schalten wäre eine Lösung. Aber das ist leichter gesagt als getan.

Hier helfen kleine Rituale, die Arbeit auch mal hinter sich zu lassen. Denn Studien belegen, dass im Homeoffice oftmals mehr Stunden gearbeitet wird als weniger – was immer noch viele Arbeitgeber befürchten. Arbeitnehmer:innen sollten sich also Rituale zum Abschalten schaffen, den Bürostuhl unter den Schreibtisch schieben beispielsweise oder bewusst eine Runde Joggen gehen oder die Zeitung lesen, um im Kopf Abstand zum Job zu bekommen.

Selbstorganisation ist als das Zauberwort und daraus ergibt sich die intrinsische Motivation, auch wirklich effektiv zu arbeiten. Also – auch wenn Homeoffice für viele nach Pizza bestellen und mit dem Laptop auf dem Sofa chillen – klingt, schaffen Sie sich feste Strukturen. Das fängt schon morgens an, wenn man eben nicht die Jogginghosen, sondern offizielle Bürokleidung anzieht.

Strukturieren Sie Ihren Tag mit Zeiten für Mails, Zeiten für die Kommunikation und solche für konzentriertes Arbeiten. Planen Sie Pausen ein und lernen Sie auch einmal „nein“ zu sagen zu ständiger Verfügbarkeit oder den „nur mal kurz“-Fragen von Chefs und Kollegen.

Aber bei aller Selbstorganisation, auch Unternehmen sind dafür verantwortlich, die Mitarbeiter:innen zu „energetisieren“.

Dies kann auf vielfältige Weise geschehen. Die Woche kann beispielsweise mit kleinen Events gespickt sein, die aus dem Alltag herausstechen, wie z.B. ein virtuelles Quiz mit kleinen Gewinnen. Die Team-Playlist auf Spotify oder auch kleine Feiern für das Erreichen eines Meilensteins. Hier gilt es kreativ zu sein. Schon der Smalltalk am Morgen kann den Tag für das Teammitglied verbessern, weil er oder sie sich verstanden fühlt und ernst genommen.
Das alles kann eines leider nicht ersetzen, das gemeinsame, soziale Miteinander im Büro.

Stichwort Büro: Auch wenn noch kein Ende der Pandemie in Sicht ist, planen viele Unternehmen die Rückkehr der Arbeitskräfte in die alten Arbeitsräume. Aber geht da so einfach? Und ist sinnvoll, einfach da weiterzumachen, wo man Anfang 2020 aufgehört hat?

Der Arbeitsplatz der Zukunft

Diese Frage haben wir eigentlich schon zu Beginn des Textes beantwortet. Nein, ist es nicht! Fakt ist leider auch, dass ein Großteil der Unternehmen nichts getan hat, um die Arbeitssituation  - räumlich- zu verbessern, weder im Homeoffice noch in den Unternehmen.
Die aktuelle Leesman-Studie fasst das - in Bezug auf Homeoffice – gut zusammen: Nur 40% haben einen dedizierten Raum bzw. ein Büro Zuhause. Die Mehrheit von 60% hat entweder nur einen zum Arbeiten gedachten Bereich im Wohnzimmer oder arbeitet dort, wo gerade Platz ist.  

Gehen wir davon aus, dass und die Pandemie noch lange erhalten bleibt: Wie müssen Arbeitsstätten des 21. Jahrhunderts dann aussehen, um Unternehmen, Mitarbeiter:innen und auch Kund:innen optimale, motivationale und effektive Umgebungen zu schaffen?

Der Virtual Interactive Professional, wie Philip Vanhoutte den Typus der virtuell und remote arbeitenden Wissensarbeiters nennt, muss in vier Bereichen glänzen:

  • Schreiben/redaktionelles Arbeiten: Hier ist die Konzentration entscheidend. Dies erfordert einen geschlossenen Raum mit guter audio-visueller Privatsphäre oder kurz: RUHE.
  • Präsentieren/Verkaufen: Eine energische Sprachkommunikation ist unerlässlich, um eine kraftvolle Botschaft zu vermitteln, die andere aber stören könnte …
  • Interagieren: In virtuellen Meetings bei denen gutes Zuhören (Sprachverständlichkeit) und energische Zusammenarbeit unerlässlich sind.
  • Auftanken: Abseits von Büroansichten und Sound – zur Kontemplation.


Was man also an seinem Heimarbeitsplatz braucht, ist ein privater und geschlossener Raum, um das Schreiben / Verkaufen / Interagieren in ausgezeichneter akustischer Isolation zu ermöglichen. Und ebenso ‘Ausbruch’-Möglichkeit in den (arbeitsfreien) Räumen, um Energie zu tanken.
Es ist daher nicht nur an der Zeit, Homeoffice, Remote-Arbeitsplätze und mobiles Arbeiten als eigenständige Möglichkeiten anzusehen, sondern als gesetzte Möglichkeiten, die – sofern es die Tätigkeit zulässt – jedem offenstehen sollten und für die eigenständige Räume geschaffen werden müssen.
Nun ist es aber auch so, dass derzeit unsere Häuser und Wohnungen nicht darauf ausgerichtet sind, auch als Arbeitsplätze zu dienen.

Was heißt das für die zukünftige Gestaltung von Wohnraum?
Zunächst einmal muss es, wenn das Haus als Arbeitsplatz genutzt wird, einen eigenen Raum für die Arbeit geben. Viele Menschen, die während des Lockdowns von zu Hause aus arbeiten, tun dies von Küchentischen oder vom Sofa aus. Diese sind meist aus ergonomischen Gründen ungeeignet.
Die Art des benötigten Raumes variiert je nach Art der Arbeit. Heimarbeitsplätze können daher nicht nach dem Prinzip “one size fits all” gestaltet werden. Je nach Art der Arbeit müssen sie auch für die technologische Ausstattung sowie die Möglichkeiten zur Kollaboration gestaltet werden, auch Akustik und die in Deutschland eher vernachlässigte Bandbreite müssen bedacht werden.

Im Zusammenhang mit (Heim-)Arbeitsplätzen sollte bei deren zukünftiger Gestaltung auch das Thema Biophilie betrachtet werden. “Biophilie” bezieht sich auf die angeborene Verbindung des Menschen zur Natur. Es gibt zahlreiche Forschungsergebnisse, die belegen, dass der Zugang zu natürlichem Licht, Geräuschen, Gerüchen und Texturen positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden hat und effektives Arbeiten unterstützt. An manchen Arbeitsplätzen ist dies schon in Form von lebenden Wänden oder anderen Grünflächen, Wasserspielen und Zugang zu echtem Tageslicht geschehen, in anderen ist das einzige Grün die Topfpflanze auf dem Schreibtisch. 


Ganz wichtig: Geben Sie Ihrem Team einen Vertrauensvorschuss.


Im Homeoffice ist der Zugang zu natürlichem Licht und „echtem“ Grün häufig leichter zu erreichen als in Bürogebäuden. Sei es durch eine Terrasse oder auch einen Garten.

Neue Büros oder neue Heime?

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Beides. Komplett auf Büros in Unternehmen zu verzichten, ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Produktion beispielsweise kann nicht ins Homeoffice ausgelagert werden und beispielsweise auch im medizinischen Bereich ist Remote-Arbeit noch keine Option. Also keine Sorge, wer muss oder auch will, soll auch weiterhin in seinem Unternehmen vor Ort arbeiten.
Aber auch hier muss dringend nachgebessert werden. Von den Gedanken an dicht gedrängte Schreibtische in Großraumbüros müssen wir uns trennen.

Das „neue“ Arbeiten, das schnelle Ergebnisse, höhere Produktivität und bessere Motivation verspricht, ist Activity based und hybrid. Was bedeutet das? Activity Based Working ist eine eine Organisationsstruktur mit aktivitätsbezogenen Arbeitsplätzen zur Förderung der Leistungsfähigkeit und Kreativität. ABW wurde in den 1970er und 80er Jahren in den USA von den Architekten Phillip Stone and Robert Luchetti entwickelt und zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelne Arbeitskraft keinen festen Arbeitsplatz mehr hat und starre Raumstrukturen aufgelöst werden.  Eine Bürogestaltung nach ABW bietet die Möglichkeit, den für die jeweilige Tätigkeit optimalen Arbeitsplatz flexibel zu wählen. Die klassische Ausstattung nach ABW-Kriterien beinhaltet:

  • Einen Büroarbeitsplatz mit höhenverstellbaren Steh-Sitz-Tischen. Screens, die die Schallausbreitung vermindern und die Schallabsorption begünstigen sowie vor visuellen Störungen schützen. Bürodrehstühle sind ergonomisch mit intuitiv zu bedienenden Einstellungsmöglichkeiten. Die Bildschirmarbeitsplätze sind mit Dockingstation, Maus, Tastatur, Monitorhalter sowie ein oder zwei Bildschirmen ausgestattet.
  • Kurzzeitarbeitsplätze für die „mobilen“ Arbeitskraft mit elektrifizierten Benchlösungen für bis zu acht Mitarbeiter:innen mit schallabsorbierenden Screens, die im Bedarfsfall durch Wireless Charging ergänzt werden und Ergonomische Drehstühle mit individuellen Einstellungsmöglichkeiten.
  • Räume für konzentrierte und isolierte Tätigkeiten sowie für vertrauliche Gespräche. Dabei können Raum-in-Raum-Systeme für so genannten Think Tanks zur Anwendung kommen. Diese Räumlichkeiten weisen eine individuelle Licht- und Klimatisierungsregelung auf und sind mit Mobiliar versehen, welches der Nutzung entspricht.


In neueren Ausgestaltungen kommen noch Flächen für soziales Miteinander hinzu.
Konzepte, Strategien und Strukturen für die postpandemische Organisation von Arbeit im Homeoffice und in Unternehmen sind also vorhanden. Worauf warten wir also noch?

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„Einfach Anders Arbeiten“ ist seit mehr als 15 Jahren ‚sein‘ Thema - in Workshops, Beratungen, Publikationen und Events. Detlev Artelt ist Geschäftsführer der aixvox GmbH, einem herstellerunabhängigen Beratungsunternehmen aus Aachen. Der Experte für Online Arbeit des eco e.V. leitet die Kompetenzgruppe Business Communications bei der EuroCloud und ist auch als Sprecher, Moderator sowie Beirat auf internationalen Kongressen tätig. Zudem ist er Co-Founder des Beraternetzwerks NEUWORK. Unter dem Brand „Einfach Online Arbeiten - EOA.live“ bietet er zudem mit einem Team an Experten die Konzeption und Durchführung von virtuellen und hybriden Events an. Detlev Artelt ist Herausgeber und Autor der Fachbuchreihe „voice compass“, den „PRAXISTIPPS Kundenkommunikation“ sowie von „EINFACH ANDERS ARBEITEN“. www.aixvox.com